TANNENSAMEN-EXTRAKT GEGEN SCHNECKENPLAGE - KENNT STEINER DIE LÖSUNG?

Ärger mit Schnecken ist den Gärtnern nichts Neues, doch zunehmend klagen jetzt auch (biologische) Landwirte über massive Fraß-Schäden - und dies nicht nur im Acker-Randbereich, sondern auf der gesamten Wirtschaftsfläche. Das Thema "Schneckenplage" scheint sich zu einer "unendlichen Geschichte" auszuwachsen.

Von der Vielzahl der (giftfreien) Schneckenmittel helfen nur wenige zuverlässig - Schnecken sind unberechenbar und anpassungsfähig. Hornkiesel zeigt schöne Erfolge, jedoch nicht in 100 Prozent der Fälle (1). Die Suche nach dem idealen Mittel zur Schneckenregulierung geht also weiter. Und wenn es auch fraglich erscheint, ob ein solches "Wundermittel" überhaupt existiert, lohnt es sich doch, angesichts der Dringlichkeit jedem sinnvollen Ratschlag nachzugehen.

Selbst Rudolf Steiner hat - was nur wenigen bekannt sein dürfte - eine Empfehlung zur Schnecken-Abwehr gegeben: Tannensamen-Extrakt, als 3 Promille-Lösung auf Pflanzen gesprüht, soll Schnecken die Fresslust nehmen.

Leider konnte die Originalquelle nicht ermittelt werden, doch lassen sich immerhin zwei Sekundär-Quellen aufführen:

Oswald Hitschfeld erwähnt das Steiner-Zitat in seinem Buch "Naturgemäße Schädlingsabwehr" (2), Iris Mühlberger weist im "Lebendige Erde"-Heft 3/2001 (3) auf einen älteren (nicht näher benannten) Gartenrundbrief hin, der die gleiche Aussage enthält.

Aus beiden Quellen geht hervor, dass die Effizienz von Tannensamen-Extrakt noch nie in systematischen Versuchen geprüft wurde – Hitschfeld weist lediglich auf einige positive Resultate aus der Praxis hin.

 

Man darf also mit Fug und Recht behaupten, dass es sich um ein völlig unerforschtes Mittel handelt, was wiederum eine Reihe grundlegender Fragen aufwirft - insbesondere:

 

1. Überprüfung der generellen Wirksamkeit

 

2. Vergleich verschiedener Herstellungsmethoden

 

3. Ermittlung der optimalen Konzentration

 

4. empfehlenswerte Anwendungshäufigkeit (Wirkdauer)

 

5. Haltbarkeit

 

6. Einfluss der Witterung

 

Zur Beantwortung dieser Fragen wurden im Sommerhalbjahr 2006 und 2007 diverse Experimente im Gehege und Freiland vorgenommen, deren Ergebnisse für hinreichend bedeutsam gelten können, um auch für einen größeren Anwenderkreis von Interesse zu sein.

 

 

Zunächst ging es um die Frage der....

GEWINNUNG DES TANNENSAMEN-EXTRAKTES UND SEINER VERDÜNNUNGEN

Steiner selbst macht zu diesem Punkt keine Angaben, die zitierten Autoren vertreten ihrerseits sehr unterschiedliche Ansichten über die beste Art der Herstellung von Tannrensamen-Extrakt:

Hitschfeld schlägt vor, den Tannensamen in "lufttrockenem Zustand" stark auszupressen und "in entsprechender Dosis mit Regenwasser verdünnt ..... ausspritzt". Der Hinweis aus dem Garten-Rundbrief dagegen empfiehlt, "3 Gramm Samen in einem Liter Wasser" kurz aufzukochen, über Nacht ziehen zu lassen und am nächsten und übernächsten Morgen zu versprühen.

Gegen beide Verfahren lassen sich jedoch ernsthafte Einwände vorbringen:

Die relative Trockenheit uind Ledrigkeit des Tannensamens macht ein Auspressen kleinerer Samenmengen nahezu unmöglich - denkbar wäre allenfalls ein Pressverfahren, wie es zur Gewinnung ätherischer Öle angewandt wird, doch dies erfordert entsprechende Geräte und große Samenmengen. Das Verfahren kann also nur wenig praktikabel genannt werden.

Auch das Aufkochen von Tannensamen scheint nicht wünschenswert, da hierb möglicherweise wertvolle Inhaltsstoffe zerstört werden bzw. ätherische Öle sich verflüchtigen.

Deshalb wurde für den vorliegenden Versuch das wissenschaftlich übliche Verfahren des alkoholischen Auszugs bzw. wässrigen Kaltauszugs gewählt:

 

Herstellung des alkoholischen Tannensamen-Extraktes:

40 Tannensamen (Abies alba) (= 2,0 g) wurden zerschnitten und in 50 ml Ethanol (70 Vol%) drei Tage extrahiert, danach filtriert.

  

Herstellung des wässrigen Tannensamen-Extraktes:

Gleiches Verfahren, gleiche Mengenverhältnisse, nur wurde statt Ethanol destilliertes Wasser (Aqua dest.) verwendet.

 

Im weiteren Verlauf der Experimente wurden darüber hinaus verschiedene Extraktionslängen erprobt, (1 Tag (24 h), 3 Tage, 7 Tage), die jedoch alle sehr ähnliche Resultate erbrachten. Man darf – um dies vorwegzunehmen – davon ausgehen, dass eine 24stündige Extraktion die volle Wirkkraft erbringt.

 

 

überprüfung der wirksamkeit verschiedener konzentrationen

 

A. Einzelblatt-Versuche mit Überdachung und im Freiland

 

Als verschließbares "Gehege" diente ein Stülpdeckel-Karton mit den Abmessungen LxBxH = 45x35x10 cm, in den mittig ein ca. 11 x 11 cm großes "Sichtfenster" geschnitten und mit Fliegengitter verschlossen wurde. Der Karton war mit einer dünnen Erdschicht gefüllt, die während der Versuchsdauer wiederholt angefeuchtet wurde.

 

Als Versuchstiere dienten ausgewachsene Exemplare der großen roten Wegschnecke (Arion rufa), insgesamt kamen ca. 20 Tiere zum Einsatz (und wurden anschließend als Dankeschön in die Freiheit entlassen).

 

Alle Einzelversuche fanden als Vergleichstest statt, d.h. es wurden jeweils zwei Blätter (Kohl oder Salat) an den Rändern des Geheges platziert, das eine besprüht mit der Testsubstanz, das andere mit destilliertem Wasser (um ca. den gleichen Feuchtigkeitsgrad zu erzielen).

 

Die Schnecken - es waren maximal drei Exemplare gleichzeitig im Test - wurden als Ausgangsstellung in der Mitte postiert (s. Skizze). Die Bestückung fand jeweils in den Abendstunden statt.

 

Pro Variante wurden mindestens vier Versuche in gleicher Form durchgeführt, die erfolglosen Konzentrationen danach ausgeschieden.

 

Folgende Konzentrationen wurden getestet:

 

  • Alkoholischer Tannensamen-Extrakt in 3 o/oo,-Verdünnung*
  • Wässriger Tannensamen-Extrakt in 3 o/oo,-Verdünnung*
  • Alkoholischer Tannensamen-Extrakt in 3 %-Verdünnung*
  • Wässriger Tannensamen-Extrakt in 3 %-Verdünnung*
  • Homöopathische D 8-Potenz des alkoholischen Extraktes
  • Wässriger Tannensamen-Extrakt pur

 ·         *Die Verdünnungen beziehen sich auf die Flüssigextrakte (nicht auf das Trockengewicht).

 

 

B. Freilandversuche

 

Für die beiden zentralen Konzentrationen (alkohol. und wässr. 3 o/oo,-Lösung) wurden zusätzlich mehrere Einzelblatt-Versuche im Freiland durchgeführt. Die Testblätter wurden hierzu auf unbewachsenem Boden ausgelegt, bei Wiederholungsversuchen die Position gewechselt (Rotation).

 

Im Anschluss daran fanden noch mehrere Freilandversuche mit lebenden Pflanzen statt (s.u.).

 

 

Ergebnisse DER EINZELBLATT-VERSUCHE

 

Tabelle 1: Intensität der Fraßspuren an Test- und Vergleichsblättern

 

Testsubstanz/Konzentration

Versuche

gesamt

schlechter als Vergleich

ebenso

wie Vergleich

besser als Vergleich

davon

unberührt

Alkohol. Ta.sa.-Extrakt,  3 %

4

3

-

1

-

Wässr. Ta.sa.-Extrakt, 3 %

4

2

-

2

-

Homöop. Ta.sa.-Extrakt*, D 8

4

-

3

1

-

Alkohol. Ta.sa.-Extrakt,  3 o/oo

7

4

-

3

-

Wässr. Ta.sa.-Extrakt, 3 o/oo

12

10

1

1

4

Wässr. Ta.sa.-Extrakt pur

1*

 

1

 

 

 

*Wässriger Tannensamen-Extrakt pur ergab schon beim ersten Test so starke Fraßschäden, dass auf    weitere Tests verzichtet wurde.

 

Wie die Tabelle erkennen lässt, war die Ausbringung von alkoholischem als auch wässrigem Tannensamen-Extrakt in hoher Konzentration (3%ig) wenig effektiv, erbrachte teilweise sogar schlechtere Resultate als die Nicht-Behandlung. Gleiches gilt für die alkoholische 3 o/oo-Variante, während die homöopathische Potenz eine leichte Verbesserung bewirkte, die jedoch zu schwach ist, um von einem wirklichen `Schutz´ sprechen zu können.

 

Bei keiner der vier Varianten blieben behandelte Blätter ohne jede Fraßspur.

 

Von diesem Hintergrund hebt sich die wässrige 3o/oo-Lösung sehr positiv ab: Von insgesamt 12 Einzelversuchen erwies sich in 10 Fällen das behandelte Blatt als deutlich besser gegenüber dem Vergleichsblatt, ein Drittel blieb ohne Fraßspuren, nur in einem Fall zeigte sich ein deutlich schlechteres Ergebnis, was evtl. aber auf die Alterung des Tannensamen-Extraktes zurückzuführen ist (leicht pilziger Geruch).

 

Dies ist ein exzellentes Ergebnis und bestätigt in der Tat die von Steiner vorhergesagte Schutzwirkung des Tannensamen-Extraktes.Erstaunlich ist besonders die Beobachtung, dass sich der wässrige Auszug als der bei weitem wirksamere erwies; im allgemeinen gelten alkoholische Extrakte als die effektiveren, da sich die Wirkstoffe in Ethanol leichter lösen.

 

Doch Schnecken haben ihren eigenen Geschmack: Die alkoholischen Tannensamen-Blätter wurden mit wahrer Begeisterung, oftmals blieb nur die Mittelrippe übrig. Die Versuchsschnecken im Gehege wirkten danach ungewöhnlich lebhaft und waren sogar am Tag aktiv - offenbar eine willkommene Stimulanz, allerdings nicht die vom Anwender erhoffte Wirkung.

 

 

Als erstes Fazit aus den Versuchsreihen lässt sich also festhalten:

 

1. Die von Rudolf Steiner empfohlene Versprühung von 3 o/oo -Tannensamen-Lösung hat eine deutlich erkennbare, zuverlässige Schutzwirkung vor Schneckenfraß

 

2. Konzentration und Art der Herstellung sind von großer Bedeutung für den Schutzeffekt: Nur der wässrige Auszug zeigte die gewünschte Wirkung – alkoholische Extrakte erwiesen sich überraschend als völlig ungeeignet. Die 3 o/oo-Verdünnung muss außerdem unbedingt eingehalten werden!

 

Die weiteren Versuche wurden deshalb ausschließlich mit wässrigem Tannensamen-Extrakt in 3-Promille-Verdünnung vorgenommen.

 

 

FREILAND-EXPERIMENTE MIT LEBENDEN PFLANZEN

 

Nachdem die generelle Wirksamkeit des Tannensamen-Extraktes als Schnecken-Abwehrmittel hinreichend bewiesen wurde, verbleiben nun noch verschiedene Detailfragen, besonders die Frage nach der Wirkdauer und der richtigen Anwendungshäufigkeit.

 

Zu diesem Zweck wurden im Sommer 2007 zwei längere Freilandversuche mit beliebten Fraßpflanzen in lebendem Zustand durchgeführt:

 

1. Kohlrüben-Versuch über 10 Tage

Drei Gruppen a 12 Kohlrüben-Setzlingen wurden in ein freiliegendes Beet gepflanzt, Gruppe A täglich (abends) mit 3 o/oo wässrigem Tannensamen-Extrakt besprüht, Gruppe B als Vergleichsgruppe unbehandelt, Gruppe C 1 x wöchentlich mit dem gleichen Tannensamen-Extrakt besprüht (s. Skizze).

 

2. Basilikumversuch über 25 Tage

Vier Reihen mit je vier gut entwickelten Basilikum-Gruppen (in Töpfen gekauft) wurden im Freiland ausgepflanzt, Gruppe A täglich mit 3 o/oo -Tannensamen-Extrakt besprüht, Gruppe B 1 x wöchentlich, Gruppe D alle 3 Tage, Gruppe C blieb als Vergleich unbehandelt.

     

Bei beiden Experimenten ergab sich, dass die tägliche Behandlung mit Tannensamen-Extrakt für die Pflanzen eine zusätzliche Belastung darstellt: Sie wirkten weniger vital als die der anderen Gruppen, ihr Blattgrün verfärbte sich ins Hellgrün-Gelbliche.

 

Auch im Auszählen der Fraßschäden schnitt diese Gruppe nur wenig besser als die Vergleichsgruppe ab, im Basilikum-Versuch zeigte sie sogar das schlechteste Ergebnis.

 

„Spitzenreiter“ in beiden Versuchsreihen ist die Gruppe mit wöchentlicher Anwendung, die 3-Tage-Variante lag zwischen beiden.

 

Ganz frei von Fraßschäden blieben auch bei wöchentlicher Behandlung nur wenige Pflanzen: Beim Kohlrübenversuch waren es 25 %, beim Basilikum-Versuch blieb keine Pflanze unangetastet, jedoch immer 75 % mit nur leichten Spuren und keinerlei schwere Fraßschäden.

 

 

Man darf also aus diesen ersten Freilandversuchen – die hier sehr knapp dargestellt wurden – die Schlussfolgerung ziehen:

 

1. Eine wöchentliche Behandlung mit 3 o/oo-Tannensamen-Extrakt gewährt den besten Fraßschutz

 

2. Häufigere Anwendungen schwächen die Pflanzen und machen sie damit eher noch anfälliger für Fressfeinde, dies gilt insbesondere für junge, zarte oder frisch gesetzte Pflanzen

 

3. Der Schutz durch Tannensamen-Extrakt ist klar erkennbar, jedoch selten hundertprozentig. Dies trifft insbesondere für sehr gefragte Schnecken-Fraßpflanzen zu (wie Basilikum), die auf jeden Fall zusätzlichen mechanischen Schutz erhalten sollten.

 

4. Nach starken Regenfällen bei Nacht nahmen die Fraßschäden für gewöhnlich merklich zu – bei regnerischem Wetter sollte der Sprühschutz häufiger erneuert werden.

 

 

ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK

 

Der von Rudolf Steiner empfohlene Tannensamen-Extrakt besitzt eine maßgebliche Abwehrkraft gegen Schneckenfraß – dies konnte in der erstmaligen systematischen Untersuchung über zwei Vegetationsperioden klar nachgewiesen werden.

 

Wichtig für zufriedenstellende Resultate ist die Art der Herstellung - nur Extrakte auf wässriger Basis, mindestens 24 h Extraktionszeit - sowie die korrekte Einhaltung der 3 o/oo-Konzentration.

 

Eine Wunderwirkung darf man aber auch von diesem Mittel nicht erwarten – Tannensamen-Extrakt führt zu deutlicher Verringerung der Fraßschäden, jedoch nicht zu 100 %igem Fraßschutz; allerdings ist die Autorin noch keinem Mittel und keiner Methode begegnet, die diesem Anspruch gerecht wurden.

 

Für Tannensamen-Extrakt spricht darüber hinaus auch seine einfache Herstellungs- und Anwendungsweise (wöchentliches Aussprühen genügt) sowie seine völlige biologische Unschädlichkeit.

 

Zu den noch offenen Fragen zählen die Witterungsbeständigkeit und Haltbarkeit des Mittels: Die Beobachtung der verringerten Wirkung nach Starkregen könnte auf einen Schwachpunkt hinweisen, den es auszugleichen gilt, längere Haltbarkeit stellt bei wässrigen Extrakten ein grundlegendes Problem dar. Auch inwieweit Tannensamen-Extrakt das Vermischen mit anderen Mitteln (z.B. stärkende Kräutertees) verträgt, wäre eine Frage, die für die Praxis bedeutsam sein kann.

 

Es gibt also weiterhin viel zu tun – genug, um einen dritten Sommer der Erforschung des Tannensamen-Extraktes und seiner Beziehung zur Schneckenwelt zu widmen, was 2008 zweifellos geschehen wird.

 

                                                                                              finis

 

 

 

Literaturverzeichnis

(1)  Siebrecht, Dagmar: "Schnecken mögen keinen Hornkiesel", in: Lebendige Erde, 3/2005

(2)  Hitschfeld, Oswald: "Naturgemäße  Schädlingsabwehr", Schopfheim 1976,  S. 104

(3)  Mühlberger, Iris: "Arbeitskalender", Lebendige Erde  3/2001, S. 30